Luft: Soziales Medium

CLB Berlin Okt – Nov 2023

Die Luft ist Commons – sie hat eine lange Geschichte als verbindendes und damit soziales Element. Vier Motive eröffnen ihren historischen Resonanzraum auf exemplarische Weise.

Fumifugium, London 1661

Als Pamphlet, das bereits Mitte des 17. Jahrhunderts öffentlich gegen die Luftverschmutzung in London protestierte, ist das Fumifugium eines der frühesten bekannten Werke dieser Art. Mit dieser Schrift diskutierte der englische Architekt und Gartenbauer John Evelyn die Effekte der Industrialisierung in der wachsenden Großstadt. Auch heute erscheint Evelyns Schrift zur »Inconvenience of the Aer and Smoak of London« lesenswert, denn hier werden zentrale Elemente einer urbanen Umweltgeschichte umrissen.

Foto: John Evelyn, Public domain, via Wikimedia Commons, unverändert
Seit dem 18. Jahrhundert wurden Kanarienvögel als sogenannte Bioindikatoren in Minen eingesetzt, um Bergleute vor giftigem Kohlenmonoxid zu warnen. Bereits bei geringen Konzentrationen des giftigen Gases im Stollen wurde der Vogel ohnmächtig und verstummte. Dies ermöglichte den Bergleuten, die Gefahr früh zu erkennen und den Stollen sofort zu verlassen. In den 1920er Jahren wurden hierfür spezielle Apparate entwickelt, um den Vogel mit einem Miniatur-Sauerstofftank wiederzubeleben. In manchen Gegenden wurde diese Praxis bis ins späte 20. Jahrhundert weitergeführt. Heute kommen andere technische Lösungen zum Einsatz.

Sauerstoffapparat aus dem Bergbau

Foto: Science Museum Group Collection, © The Board of Trustees of the Science Museum, Lizenz CC BY-NC-SA 4.0, unverändert
Wetterballon, Kiruna, Schweden

Zur Regulierung der Erderwärmung verspricht das Geo-Engineering technische Lösungen. Diese Möglichkeiten werden derzeit weltweit erforscht. Dazu werden etwa lichtreflektierende Partikel in die Atmosphäre eingebracht, mit dem Ziel, dass weniger Sonnenstrahlung bis zur Erde durchdringt.
Der sonnenerstrahlte Wetterballon ist zum Symbolbild in diesem kontroversen Diskurs geworden und erzählt die Geschichte eines verhinderten Testfluges im Jahr 2021 in Kiruna, Schweden. Dort hatten Vertreter*innen der indigenen Saami-Bevölkerung aus Sorge um die unabsehbaren Folgen für die arktischen Ökosysteme erfolgreich gegen ein Forschungsprojekt protestiert.

© Foto: SSC, unverändert

Fassade eines Wohnhauses, Kuala Lumpur, Malaysia

Mit der Entwicklung der modernen Klimaanlage Anfang des 20. Jahrhunderts (engl. air conditioning) verändert sich unser Verhältnis zur Luft grundlegend. Unabhängig von den Bedingungen eines Ortes wird Luft nun technisch gestaltbar: sie kann permanent gemessen, reguliert, kontrolliert und standardisiert werden. Damit einher geht jedoch ein hoher Energieverbrauch. Der massenhafte Einsatz von kühlenden Klimaanlagen lässt also gleichzeitig die Erderwärmung steigen.

©Tinou Bao, Lizenz, CC BY 2.0, unverändert

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